14. »Illusorische Erscheinungen als die vier Buddhakörper zu meditieren ist der unübertreffliche Schutz der Leerheit«

Lama Lhündrup kommentiert: Hier geht es um eine radikale Änderung der Sichtweise. Gewöhnlicherweise sehen wir, wenn unangenehme Erfahrungen auftauchen, sie als Probleme an. In der erleuchteten Wahrnehmung gibt es nur den kreativen Tanz der Erscheinungen. Immer wieder wollen wir die anderen ändern, immer wieder die Erscheinungen ändern, statt die Natur der Erscheinungen zu erkennen.
Diese Unterweisung ist die Unterweisung aus der Sicht der Erleuchteten. Und in einer erleuchteten Wahrnehmung gibt es nichts als das unendliche Spiel der Einheit von Klarheit und Leerheit.
Viele sind in einem grundlegenden Fehler gefangen, daß sie gerne nur den Dharma erhalten würdet, der in ihrer Reichweite liegt und daß Unterweisungen aus dem Weg gehen, die noch nicht in ihrer Reichweite sind. Der Horizont von dem, was Dharma ist, bleibt dadurch sehr beschränkt. Der Dharma ist sehr viel weiter als das, was in unserer Reichweite liegt und was wir gerade mal noch so verstehen können. Darum gibt es hier und da solche Instruktionen, die wir erst mal überhaupt nicht verstehen können. Wie soll denn Krieg der dynamische Tanz von Erscheinung und Leerheit sein? Ist es aber doch. All diese Kämpfe, all diese Auseinandersetzungen sind das Aufeinanderprallen von Ichbezogenheit: die Ichbezogenheit im einen Geistesstrom und die Ichbezogenheit in anderen Geistesströmen. Aus der erleuchteten Sicht gibt es kein Ich, da gibt es nichts anzugreifen, nichts zu verteidigen, da gibt es auch keine Wesen, die sterben, da gibt es nur Körper, die verlassen werden und der Geistesstrom geht weiter… Da ist ein ständiger Tanz von Erscheinungen, neuer Manifestation, unendlicher Tanz der Erscheinungen, immer wieder aus dem Geist heraus geboren, unaufhörlich. In diesem Tanz der Erscheinungen können wir geschickter tanzen, es ist die Möglichkeit, so zu tanzen, daß die, die noch nicht erwacht sind, aufwachen. Es ist der Tanz, den die Erleuchteten in unserer Welt vollziehen. Sie manifestieren sich so und sie tanzen so mit uns und mit den Erscheinungen, daß wir, die wir noch nicht sehen können, wacher werden und aufwachen. Wenn wir wach sind, können wir anderen helfen, besser zu tanzen. Die meisten sind völlig gefangen in diesem Tanz und verlieren ihr Gleichgewicht und sind steif, halten fest, prallen aufeinander, und es gibt jede Menge Funken.
Aus der Sicht der Buddhas wäre die beste Umgehensweise mit Schwierigkeiten, sie als die vier Kayas, die vier Buddhakörper zu verstehen. Das ist der unübertreffliche Schutz, der Schutz der Leerheit [»die Rüstung der Sichtweise« oder »der Schutzkreis der Leerheit«]. Leerheit bedeutet: Frei von Ich, ohne ein Ich. Das ist der Schutz des Nicht-Anhaftens an einem Ich. Das ist der unübertreffliche Schutz. Fragt einen Lehrer, was das Beste ist im Umgang mit Schwierigkeiten: Nicht an einem Ich zu haften! Weder bei sich selbst noch bei anderen. Das ist der höchste Schutz.

(gekürzt aus: Lama Lhündrup, Erklärungen zum Lodjong-Kommentar von Jamgön Kongtrul Lodrö Thaye »Der Hauptweg zur Erleuchtung«, Einführung zu den Sieben Punkten des Mahayana-Geistestrainings, Freiburg, 26. Dezember 2005 bis 1. Januar 2006, S. 55ff)

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