Über Lojong

Lojong bedeutet wörtlich »den Geist trainieren« oder »den Geist umwandeln«.
Diese Belehrungen, die die Praxis des Erleuchtungsgeistes – speziell des relativen Erleuchtungsgeistes – und das »Austauschen von sich selbst mit anderen« (Tonglen) betonen, wurden durch den bengalischen Dharmalehrer Atisha (982-1054) nach Tibet gebracht, wo er die letzten dreizehn Jahre seines Lebens verbrachte.
Diese Belehrungen waren ursprünglich nicht weit verbreitet gelehrt – bis zur Zeit von Chekawa Yeshe Dorje (1101-1175), der das »Geistestraining in Sieben Punkten« als komprimierte Notizen zusammenstellte, damit seine Schüler sie sich leichter einprägen konnten. Die Aktivität Chekawas führte dazu, daß Atishas Geistestraining seit vielen Jahrhunderten bis zum heutigen Tag in allen wichtigen Linien des tibetischen Buddhismus praktiziert wird. Durch Gampopa (1079-1153) kamen diese Belehrungen in die Kagyü-Linie.

Das Geistestraining ist eine umfassende buddhistische Praxis und beinhaltet den gesamten Weg. Der Wurzeltext der »Sieben Punkte des Geistestrainings« ist eine Liste von 59 Merksätzen, die eine grundlegende Zusammenfassung der Sicht und der praktischen Anwendung der Belehrungen des Erleuchtungsgeistes beinhaltet. Das Studium und die Praxis dieser Merksätze bietet uns auf anwendbare und direkte Weise die Möglichkeit, unser Festhalten am Ego zu lösen und Mitgefühl zu entwickeln. Mit Hilfe des Lojong erkennen wir, daß unsere Selbstbezogenheit eine gewohnheitsmäßige Tendenz ist und sich selbst in den winzigsten Gedanken und Handlungen manifestiert. Diese Tendenz beeinflusst all unser Tun, selbst sogenanntes wohlmeinendes Verhalten. Es ist eine sehr pragmatische, realistische Praxis.
Die Merksätze geben uns eine Methode an die Hand, um mit unseren Geist zu arbeiten, indem wir sowohl die formale Meditationspraxis als auch das alltägliche Geschehen (»die Praxis der Nachmeditation«) als Mittel zum Erwachen zu verwenden. Die Praxis der Nachmeditation basiert darauf, daß man sich mitten im Alltag spontan an den jeweiligen Merksatz erinnert. Damit ist nicht gemeint, daß man sich angestrengt darum bemühen soll, in Übereinstimmung mit den Merksätzen zu handeln, sondern das Studium und möglicherweise das Auswendiglernen der Merksätze löst ein Erinnern aus – sie tauchen ganz mühelos mit ihren teilweise spielerischen und ironischen Elementen immer wieder spontan im Geist auf.

Trungpa Rinpoche lies auf seinen Seminaren diverse Merksätze in kalligrafischer Schrift gestalten und an allen möglichen Orten aufhängen. Man wusste nie, wo man ihnen begegnen würde. Er empfiehlt uns, die Merksätze auf Karten zu schreiben und diese in unserer alltäglichen Umgebung als Erinnerung, »Wachmacher« und Provokateure zu verwenden.

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