12. »Gib einem alle Verantwortung«

Jamgön Kongtrul Rinpoche kommentiert: Wenn du körperlich krank bist oder geistig leidest, wenn dich andere beleidigen, dich angreifen oder du in Streit verwickelt wirst – kurz, wann immer dir oder deinen Nächsten große oder kleine Ärgernisse widerfahren: Denke nicht: »Diese Person macht Probleme« und schiebe so anderen die Verantwortung zu. Bedenke stattdessen: »Dieser Geist, der an einem Ich haftet, obwohl es keinerlei Ich gibt, hat im anfangslosen Daseinskreislauf bis zum heutigen Tag aus reiner Selbstbezogenheit eine Unmenge nichtheilsamer Handlungen ausgeführt. Deren Ergebnis ist das Leid, das mich jetzt befällt. Niemand sonst ist dafür verantwortlich als einzig und allein meine Ichbezogenheit, und ich werde alles daran setzen, sie zu bezähmen.«

Lama Lhündrup kommentiert: Nehmen wir mal eine wirklich schwierige Situation. Wir sind Opfer von übler Nachrede und so weiter, es ist ganz offenkundig nicht gerechtfertigt, was da läuft. Es ist jetzt kein Ausdruck von Masochismus, sich zu sagen, es hat mit meinem eigenen Ich-Anhaften zu tun, mit dem Karma, das ich in die Welt gesetzt habe.
Es soll uns nicht daran hindern, uns unter Umständen abzugrenzen und zu verteidigen, aber zuerst muss auch diese Einsicht klar werden, daß es etwas mit mir zu tun hat, an erster Stelle! Was tut mir eigentlich weh, wenn ich solch einer Situation ausgesetzt bin? Die beleidigenden Bemerkungen anderer, die Ausgrenzung, die üble Rede… Im Grunde genommen schmerzt immer wieder dieses Ich-Anhaften, diese Wichtigkeit, die ich mir selbst gebe und wo ich geliebt werden möchte, wo ich respektiert werden möchte, wo ich gleich wie andere behandelt werden möchte.
Aber ich verstehe, daß ich mich seit vielen Leben in diesem Teufelskreis befinde, aus Ichbezogenheit zu handeln und versuche, in der jetzigen Situation nicht mehr mit Gegenprojektion zu antworten.
Worum es hier geht, ist die allgemeine Haltung Schwierigkeiten gegenüber. Komme was wolle, ich werde um keinen Preis mit dem Geistestraining innehalten. Allmählich lernen wir sogar sehr schnell das Positive darin zu sehen.
(gekürzt aus: Lama Lhündrup, Erklärungen zum Lodjong-Kommentar von Jamgön Kongtrul Lodrö Thaye »Der Hauptweg zur Erleuchtung«, Einführung zu den Sieben Punkten des Mahayana-Geistestrainings, Freiburg, 26. Dezember 2005 bis 1. Januar 2006, S. 47ff)

Chögyam Trungpa Rinpoche kommentiert: Dieser Slogan passt immer, wenn wir uns über irgendetwas beklagen, selbst wenn wir uns darüber beklagen, dass unser Kaffee kalt oder unser Badezimmer schmutzig ist. Er reicht sehr weit.
(aus: Chögyam Trungpa Rinpoche, Erziehung des Herzens, Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl, Arbor Verlag 2007, S. 89)

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